Herbstlaub 2013

Vilshofener Anzeiger (Oktober 2013):

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"Eine musikalische Wundertüte voller Überraschungen

Viertes Herbstlaub-Musikfestival wirbelte Songs von Metallica bis Bach durchs Atrium

Bericht und Fotos: Gesine Hirtler-Rieger
Vilshofen. Darf man das? Brachialen Rock und Klaviermusik von Chopin nebeneinander setzen, das „oder“ zu streichen und ein „und“ daraus machen? Der klassische Pianist Timm Beckmann und der Rockgitarrist Tim Janssen tun es ganz unverfroren und schütteln sich wilde Music-Shakes zurecht. Das taten sie am Freitag im Atrium so gekonnt, mit viel Wortwitz und musikalischer Raffinesse, dass das Publikum nur allzu gerne folgt.
Schließlich schlagen doch bei jedem mindestens zwei Herzen in einer Brust: man träumt gerne zu Chopins Klaviermusik - und rockt im Geiste ab bei Van Halens „Jump“. Genau das brachte das Duo [pro:c-dur] zusammen und eignete sich dadurch perfekt für die vierte Auflage des Musikfestivals „Herbstlaub - Musik ist bunt“ des Vilshofener Jazz- und Musikvereins. Der hat es sich nun mal auf die Fahne geschrieben, die musikalische Wundertüte immer wieder anders zu bestücken und überraschend neue Töne nach Vilshofen zu bringen. Von den Musikkabarettisten [pro:c-dur] aus dem Ruhrpott ließ sich das Publikum jedenfalls gerne die Musik neu erklären und lustvoll vorspielen. Mit spitzen Fingern zerfiselte Timm Beckmann die Nationalhymnen der europäischen Länder und schlug Alternativen vor. Denn über die Europahymne kann er nur den Kopf schütteln: Alle Menschen werden Brüder? Nicht in Zeiten der Eurokrise! Da ist doch eher der „Final countdown“ angesagt, oder wenigstens „Money, money, money“ von Abba.
In der Musik ist ohnehin alles erlaubt, weil über die Jahrhunderte hinweg jeder von jedem „Anleihen“ genommen hat, machte der Pianist deutlich. Und so ging es in einem wildem Parforceritt quer durch die Musikgeschichte: von Brahms‘ Wiegenlieder bis hin zum „Sandman“ von Metallica, vom Militärmarsch über die Titelmelodie von Bonanza bis hin zum Sirtaki. Am Schluss brachten die beiden Männer mit dem losen Mundwerk die Zuhörer sogar dazu, das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ zu singen.

Mit Jazz vom Feinsten hatte zuvor der mehrfach ausgezeichnete Regensburger Schlagzeuger Gerwin Eisenhauer mit seiner Band „Boom“ aufgewartet. Musik, die jeder Gameboy-Besitzer von den Pokemon-Spielen und Egoshootern kennt, wurde verjazzt und verwandelt. Zusammen mit Walter Lang am Piano, Uli Zrenner-Wolkenstein am Bass und Graeme Stephen an der Gitarre sorgte der Ausnahme-Schlagzeuger für viel Beifall.

Wie geht es weiter mit „Herbstlaub“? Noch mehr Besucher würden sich Christian Eberle und Peter Wallner vom Vorstand des Jazz- und Musikvereins wünschen, doch sie planen schon die fünfte Fortsetzung im nächsten Jahr. Ob sich der Veranstaltungstermin von Oktober auf November verschiebt, das wird sich noch zeigen, erklärte Eberle. Ein extra Dankeschön ging jedenfalls an die Sponsoren, die diese hochkarätige Veranstaltung erst möglich machen.

Feuilleton, PNP Oktober 2013, Gesine Hirtler-Rieger

"Der Herbst treibt’s wild und spritzig Das Vilshofener Herbstlaub-Festival wird zum Wirbelsturm

 Der Herbstwind lässt alles Mögliche vom Himmel trudeln. Manche ziehen die Vorhänge zu, andere lassen sich den frischen Wind um die Nase pfeifen. Für die hat der Jazz- und Musikverein Vilshofen das Festival „Herbstlaub - Musik ist bunt“ im Atrium auf die Beine gestellt. Zwei Bands sorgten für eine frische Brise, immer wieder durchzogen von wilden Böen.
Den Auftakt machte Schlagzeuger Gerwin Eisenhauer aus Regensburg mit seiner Band „Boom“. Eisenhauer frischt den Jazz auf mit der Popkultur unserer Tage. Verschluckt, verdaut und verwandelt werden Melodien, die jedes Kind und dadurch zwangsläufig auch ihre Eltern im Ohr haben: Videogame-Musik. „Super Mario“ ist plötzlich in New Orleans zu Hause, aus den Zelda-Spielen tönen Jazzballaden, düstere Klänge aus den Egoshootern. Aber auch die, die keinen Gameboy zu Hause haben, waren fasziniert von der Musik und ihrer Interpretation. Walter Lang, der dem Piano irrlichternde Töne entlockte, Uli Zrenner-Wolkenstein am Bass und Graeme Stephen an der Gitarre verdichteten den Torso der Videomusik zu handfestem Jazz. Zum Staunen brachte Eisenhauer sein Publikum, der mit versunkener Inbrunst sein Drumset streichelte und kitzelte, mit leichter Hand erzittern und kraftvoll dröhnen ließ.

Ganz andere Saiten zog in der zweiten Hälfte das Duo [pro:c-dur] auf. Von Bach bis Rammstein war alles drin - meisterhaft und höchst vergnüglich dargeboten, machten die beiden Musikkabarettisten aus dem Ruhrpott deutlich, dass alles mit allem zusammenhängt, weil jeder bei jedem klaut: Bizet hat die Arie der Carmen von Sebastián de Yradier gemopst, während Haydn die Melodie der deutschen Nationalhymne aus einem kroatischen Volkslied abgekupfert hat.
 Der Schlagabtausch zwischen dem klassischen Pianisten Timm Beckmann im feinen Tuch und dem Rockgitarristen Timm Janssen, der die tätowierten Muskeln spielen ließ, war witzig, ihr Musikpotpourri hinreißend. Das bunte Herbstlaub, das der Jazz- und Musikverein zum vierten Mal hatte rascheln lassen, hat Lust gemacht auf eine neue Folge im nächsten Jahr.